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Donnerstag, 1. November 2012

Kleider machen glücklich - immernoch (1811-1820)



Teil III der Kleiderserie mit den Jahren 1811 bis 1820. In diesem Jahrzehnt vollzieht sich endgültig der Übergang vom "revolutionären", griechischen Gewand zur höfisch akzeptablen, teilweise raffinierten Robe.



Ein silber-blaues Seidenkleid, hier in der Rückansicht, von 1810-1813. Es ist mit winzigen dunkelblauen Blümchen gemustert. Die Öffnung befindet sich bei diesem Kleid (und ähnlichen) vorne: Die Brustpartie lässt sich wie ein Latz nach vorne klappen und wird beim Anziehen etwas unterhalb der Schultern an der Rückenpartie befestigt, sowie unterhalb der Brust mit dem Gürtel geschnürt. Eine Art Mieder (vorne geschlossen) ist, ausgehend von der Rückenpartie, eingearbeitet (s.u.).
Der Rock fällt im Rücken bauschig, was nicht nur durch die Falten gewährleistet wird, sondern zusätzlich durch ein kleines mondförmiges Kissen, das auf Gürtelhöhe in das Kleid eingenäht wird. Ein Überbleibsel des seit dem 16. Jahrhundert modernen "Weiberspeck". [NMA]

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Dieses beeindruckend schlichte Kleid wurde zwischen 1810 und 1815 in Amerika gefertigt. Der minimalistische Schnitt sollte nicht zu voreiligen Schlüssen veranlassen: Tatsächlich ist dieses Seidenkleid unheimlich elegant, und wird insbesondere in der Rückansicht noch richtig lebendig (s.u.). Auch die Farbe, ein sehr pastelliges Lachs, und die überlangen, vermutlich keulenförmigen Ärmel tragen dazu bei. Sicherlich kein Kleid, das jede tragen kann, aber die richtige Trägerin kann ihm viel Noblesse verleihen. [Met]

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Dieses Abendkleid stammt aus der Zeit von 1813 bis 1817 und wurde aus Musselin gefertigt, die Litzen an Saum und Mieder sind aus Satin. Musselin, ein sehr feiner Baumwollstoff, erfreute sich um 1800 so großer Beliebtheit, dass er sogar einer Krankheit Pate stand, die sich die leicht bekleideten Damen im Winter einfingen. Abhilfe konnte einer der ebenfalls in dieser Epoche en vogue gewesenen Kaschmir-Schals schaffen. Die Trägerin dieses Kleides konnte sich aber wenigstens über lange Ärmel und (offenbar) integriertes Unterkleid freuen. [BFM]
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Ein elegantes Kleid aus der Zeit um 1815. Es handelt sich vermutlich wieder um ein besticktes Gaze-Überkleid mit gleichfarbigem Unterkleid. Die Verzierungen scheinen aus Seide zu sein. Mir gefällt der Lachsfarbton des Kleides. Hier das Mieder en détail:
... man beachte das zarte Gewebe der Puffärmel. Unverkennbar ist hier aber schon der Übergang zur Biedermeier-Mode: der Rock wird kürzer, man kann vorne schon die Füße sehen, und das Mieder wird auffälliger, opulenter verziert und mit zunehmend ausladenden Ärmeln. Aber noch ist keine Krinoline vonnöten... [MM]
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Ja, auch hier sieht man es: mächtige Oberweiten werden modern. Dieses Baumwollkleid aus dem Jahr 1817 ist vermutlich englisch oder schottisch. Bemerkenswert sind die raffinierten Stickereien und Rüschen am Saum, der relativ breite eckige Kragen und der insgesamt eher schmale Schnitt. [?, gefunden hier]
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Hier sehen wir nun auch einmal einen Spencer in voller Aktion. Das schöne Stück stammt aus dem Jahr 1818 und wurde von Hand aus dunkelblauem Samt genäht und mit Satin besaumt. Hier eine Detailaufnahme:  [V&A]

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An diesem Baumwollkleid um 1820 wird der Übergang zur Biedermeierära noch einmal deutlich: das Mieder ist hier zwar vergleichsweise empire-haft gehalten, doch der der breite Gürtel deutet schon an, dass die Taille wieder tiefer rutscht. Vor allem aber fällt der Rock jetzt wieder weiter und ausgestellt. So langsam braucht frau mindestens einen Unterrock... - An diesem Kleid sind insbesondere die interessanten Blumendetails im 3D-Look. Und: von diesem Kleid ist ein langer Ärmel erhalten, es konnte also wohl wahlweise lang- oder kurzärmelig getragen werden. Funktionskleidung... [Met]
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Zu guter Letzt ein Seidenkleid aus dem selben Jahr. Trotz sehr opulenten Dekors ist es eher "Empire" als das vorherige: die Taille sitzt höher, der Rock fällt schmaler. Dennoch ist es wesentlich steifer, kürzer und "konventioneller" als übliche Empire-Kleider und verweist, nicht zuletzt dank Hommage an das Mittelalter im Schnitt der Ärmel, sehr stark auf die Restaurationszeit. Mit gefällt an dieser Robe vor allem die fliederne Farbe, die man zu dieser Zeit noch nicht sehr häufig sieht. (Tatsächlich wurden Farben wie Türkis, Grün oder Violett erst in den nachfolgenden Jahrzehnten populär, als es gelungen war, sie synthetisch herzustellen.)

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Museen: [NMA] National Museum of Australia
[Met] Metropolitan Museum of Art, New York
[BFM] Bath Fashion Museum
[MM] McCord Museum Montreal
[V&A] Victoria and Albert Museum, London

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