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Samstag, 25. August 2012





Ei love rosa: Wie Geschlechterungleichheiten gemacht werden



Eigentlich wollte ich mich gar nicht dazu äußern: zu kleinlich, zu offensichtlich, ja, zu blöd erschien mir die ganze Sache. Die Rede ist vom jüngsten Clou des Ferrero-Ablegers kinder, dem Überraschungsei extra für Mädchen unter dem sehr eloquenten Slogan "Ei love Rosa".


 Das Schokoladenei nun also auch mit rosa Blümchenverzierung. Überflüssig und, wie gesagt, blöd. Ein neues Beispiel für die allgemeine "Pinkifizierung" ursprünglich genderneutraler Kinderbespaßung. Nach Schulranzen und Lego nun also die Schokolade. Auch die Reaktionen darauf waren irgendwie schon vorhersehbar: Feminist_innen protestieren (zu recht), Kapitalismuskritiker_innen schimpfen über Konsumismus und die Schaffung künstlicher Bedürfnisse (ebenso zu recht), wahrscheinlich rufen irgendwelche Girlies "Jippie!" (meinetwegen) - und der Konzern redet uns allen diese Neuheit schön und notwendig. Auffällig ist aber die Art und Weise, wie die neue, alte Geschlechterapartheid legitimiert wird: nicht weniger als eine Maßnahme des Gender Mainstreaming sei das, erklärt Ferrero:

Sexistische Kackscheiße.
"[Erkenntnisse der Markforschung] besagen, dass sich Mädchen heutzutage nicht mehr in nur eine Schublade stecken lassen. Pink und Ponyhof ist ihnen genau so wichtig, [!] wie Fußball und Frauenpower." (Quelle)
Ja klar, und weil dem so ist, muss man einfach mal mehr Pink und Ponyhof bringen. Kunstschmuck, Tiere, ein bisschen malen, basteln, werfen und Puzzeln - das alles fördert die Individualität von Mädchen. Logo!


Noch deutlicher wird Axel Dammler, Marktforscher für Kinderspielzeug:

"Hinter dem rosa Spielzeug stecke aber dennoch ein klares Ziel: Es gehe darum, das Interesse der Kinder auf Dinge zu lenken, mit denen sie sich sonst nicht beschäftigen würden",
wird er auf sueddeutsche.de zitiert. Hm, wie soll ich das jetzt lesen? "Würde man Mädchen nicht von klein an darauf konditionieren, sich mit rosa Schmuck zu behängen, sexualisierte Posen einzunehmen und auf das Kindchenschema (Tiere!) zu reagieren, werden aus ihnen am Ende noch emanzipierte Menschen"?!
Gemeint war natürlich: würde sich im neuen Ü-Ei nicht auch mal ein Frisbee, ein Puzzle, ein Figürchen zum Zusammenstecken befinden, würden Mädchen niemals werfen, puzzlen oder bauen. Denn das, lernen wir hier, sind "männliche" Beschäftigungen. Denn, lernen wir an anderer Stelle weiter:

"Mädchen hätten nun mal ein "Puppen-Gen" und würden sich sonst nicht mit solchen Sachen [gemeint ist hier Lego] befassen. Wenn man aber ihre Vorliebe für rosa nutze, um sie dann für etwas zu begeistern, was sie sonst ignorieren würden, sei das doch eine gute Sache."

Puppen-Gen. Alles klar. Das Schlimme ist ja nicht das Rosa an sich, das ist nur lächerlich. Das Schlimme ist, dass Dammler, Ferrero, Lego und viele andere das tatsächlich glauben: Mädchen haben ein pinkes Puppen-Gen und müssen darum über dieses Gen zu den zentralen Fähigkeiten geführt werden, die - na klar! - männlich sind. Befund 1 also: Fertigkeiten wie Bauen, Basteln und Sportlichkeit sind ganz wichtig. Na, da stimme ich doch zu! Aber: sie sind männlich, Mädchen würden niiiieeee auf die Idee kommen, das freiwillig zu machen, man muss sie quasi dazu manipulieren.

Die bessere Variante.
Das wage ich nun zu bezweifeln: Indem man geschlechtsneutrales Spielzeug, wie es Lego und das Ü-Ei einmal waren, zu geschlechtsspezifischem Spielzeug macht, indem man eine Mädchenvariante einführt, die völlig anders konzipiert ist, suggeriert man doch erst, dass Mädchen von Jungs verschieden sind. Das Puppen-Gen wird weniger durch LegoFriends aufgehoben, als vielmehr durch LegoBelville vor einigen Jahren erst eingeführt. Bis in die 1980er/90er hatten Mädchen schon alleine deswegen keine "Vorliebe für Rosa" und Kunstschmuck und Püppchen, weil es das noch gar nicht (so ubiquitär) gab. Das ist nicht nur "Doing Gender", das ist "Making Gender"! Befund 2: Geschlechterunterschiede werden mit dieser Maßnahme keineswegs eingeebnet, sie werden erst geschaffen. Dafür ist nicht (so sehr) die Farbgebung oder der Inhalt verantwortlich, sondern die Tatsache, dass man Mädchen erst einmal als besondere Gruppe ausmachen muss, die wiederum besonders behandelt werden muss. Da hört die "gute Sache" auf, gut zu sein, und da zieht auch das unterschwellige Argument der Mädchenförderung nicht mehr: Förderung zielt genau darauf ab, die Position einer unterprivilegierten Gruppe zu verbessern, also etwa Frauen bei der Stellenvergabe punktuell zu bevorzugen, wo sie unterrepräsentiert sind. Lego und das Ü-Ei waren bisher aber kein Unternehmensvorstand, sie waren Spielzeug für Jungen und Mädchen, und das vor allem deswegen, weil sie sich weder an Mädchen noch an Jungen gerichtet haben - bis sie eben damit anfingen. In beiden Fällen fielen Mädchen zuerst aus der Norm: das ehemals neutrale wurde dadurch, dass es eine Mädchenvariante gibt, zum Jungenspielzeug. Befund 3: Geschlechterunterschiede werden im vorliegenden Fall dadurch geschaffen, dass Mädchen aus der Norm ausgeschlossen, zum "Anderen", "Besonderen" erklärt werden. Emanzipation sieht irgendwie anders aus...

Zum Schluss noch ein Trost:
"Die klassische Variante von kinder Überraschung gibt es natürlich auch weiterhin für alle Neugierigen von 3 bis 99 Jahren, die Spiel, Spaß und Spannung lieben."
- also neuerdings Jungs.


Nachtrag: Heute morgen habe ich zufällig erfahren, dass Kleinkram-Hersteller_in BIC jetzt auch Kugelschreiber "for her" im Sortiment hat (wer's nicht glaubt, hier der Katalog, S. 14). Dieser Kugelschreiber zeichnet sich durch einen besonders dünnen Schaft und die pastellfarbene Tönung desselben aus. Wie schön, dass nun auch Schreibwarenhersteller_innen so gendersensibel sind, Frauen mittels ihrer typisch weiblichen Vorlieben für alles, was irgendwie pastellig-rosa getönt ist, zu ansonsten eher Männern vorbehaltenen Tätigkeiten zu animieren. Vielleicht können wir uns ja die Hoffnung gestatten, dass nun auch das weibliche Geschlecht langsam des Schreibens kundig wird... Bis es soweit ist, hier für alle, die schon lesen können, zwölf sehr treffende und witzige Kritiken des neuen BIC-Produktes.

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